
Jeden Tag eine neue Überraschung
Kennt Ihr noch Timm Thaler? Oder das Nesthäkchen? Mit seinen Weihnachtsserien hat das ZDF einer ganzen Generation die Ferien versüßt. Von 1979 an wurde fast zwei Jahrzehnte lang zwischen Weihnachten und Neujahr eine mehrteilige Kinderserie ausgestrahlt. Solch ein Format ist kein rein deutsches Phänomen. Es gibt sie in vielen Ländern, darunter auch in Schweden. Hier heißen sie julkalender – weil sie wie ein Adventskalender 24 Tage lang Freude machen.

Spätestens, seit sich Patrick Bach als Jack Holborn Freibeutern anschließt und mit ihnen die Weltmeere bereist, war es um mich geschehen. Ich hatte mich Hals über Kopf in den Waisenjungen verliebt. Das war 1982. Damals war ich fünf.
Von da an habe ich viele Jahre auf die ZDF-Weihnachtsserien hingefiebert und jede einzelne verschlungen. Mit Anna (1987) erreichte meine Begeisterung ihren absoluten Höhepunkt. Nonni und Manni (1988) fand ich noch spannend. Außerdem hatte der Vater in der Geschichte meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Laura und Luis (1989) waren mir schon zu kindlich. An Clara (1993) kann ich mich nur noch verschwommen erinnern. Danach habe ich die Weihnachtsserien nicht mehr verfolgt.
Vergessen und wieder entdeckt
Erst 2015 kam ich hier in Schweden wieder damit in Kontakt. Hierzulande gibt es ein ähnliches Konzept: den julkalender. Wir haben uns die Serie damals in unserem Sfi-Kurs angesehen. Tusen år till julafton („1.000 Jahre bis zum Heiligabend“) war eine Zeitreise durch die schwedische Geschichte. Die Serie war als kleines Experiment gedacht: Verschiedene Kinder haben als Gastspieler mitgewirkt und abwechselnd in jeder Folge zusammen mit ihren Filmeltern einen Tag erlebt – beginnend im Jahr 1015 bis in die Gegenwart. Jeden Tag ging es darum, wie damals der Alltag aussah. Wie man lebte, wie man spielte und was gegessen wurde. Aber auch, wie sich die Rolle der Kinder im Laufe der Jahrhunderte verändert hat.
Tusen år till julafton war unglaublich aufwendig gemacht. Die Verantwortlichen wollten jedes Jahrhundert historisch korrekt abbilden und haben alle Schauspieler entsprechend eingekleidet und an vielen verschiedenen Orten gedreht. Momentan sind noch alle 24 Folgen bei www.dailymotion.com zu finden – wer weiß, wie lange noch. Anders als sonst gibt das Internet zu diesem julkalender nicht mehr viel her. Er wurde auch als VHS oder DVD nicht veröffentlicht. Grund war angeblich ein Rechtsstreit um die Urheberrechte.

Bewährt und trotzdem stets neu
Aber Tusen år till julafton ist nur einer von mittlerweile 59 julkalendern. Das Format gibt es bereits seit 1960 und wurde seitdem einige Male überarbeitet. Anfangs hatten die Serien noch keinen festen Sendeplatz, sondern wurden als kurze Abschnitte in verschiedenen Programmen gezeigt. Seit 1969 wird er in Farbe produziert. 1971 hat er seinen heutigen Namen erhalten, bis dahin lief er unter adventskalender. Außerdem haben sich die Sendezeiten verändert. Einige Male hat er schon am ersten Advent begonnen und hatte dann mehrere Folgen, so dass er trotzdem Heiligabend enden konnte.
Der schwedische Fernsehsender SVT bewahrt die meisten julkalender in seinen Archiven auf und stellt einige davon der Öffentlichkeit jährlich zu Weihnachten in seinem Öppet arkiv zur Verfügung. Besonders erfolgreiche Serien werden regelmäßig wiederholt oder auf VHS und DVD herausgebracht. Seit ein paar Tagen lädt auch in unserem ICA ein Aufsteller zum Zugreifen ein.
Mal spannend, mal lustig
Heute ist der julkalender eine richtige schwedische Weihnachtstradition. Er wird täglich vom 1. bis 24. Dezember ausgestrahlt und dauert etwa 15 Minuten. In diesem Jahr heißt er Storm på Lugna gatan – Familie Sturm zieht in die ruhige Straße ein und sorgt für jede Menge Trubel. Mir persönlich ist er etwas zu bunt und etwas zu albern. Aber die versteckten Anspielungen auf die schwedische Mentalität sind wirklich lustig. Gerne spielen die Filmemacher hierzulande mit der Diversität ihrer Mitbürger und lassen die verschiedensten Charaktere aufeinandertreffen. Diesmal müssen die unkonventionellen Sturms mit ihren neuen Nachbarn einen gemeinsamen Konsens finden: einer Hippie-Familie und einer alleinerziehenden, technikaffinen Mutter.
Lasst Euch überraschen.

Unter www.svtplay.se lassen sich alle 24 Folgen sogar noch bis zum 23. Januar anschauen. Sie sind im Originalton auf Schwedisch verfügbar, mit schwedischen Untertiteln, mit Gebärdensprache und als Hörfilm für blinde und sehbehinderte Menschen.
Ich hoffe, dass sich der julkalender auch von Deutschland aus anschauen lässt.
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